An anthology of German literature Part 67
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Es bleibet mir ubrig, euch mit wenigen Worten zuerklaren, was es eigentlich seye, das die Poeten figurlich ihren Enthusiasmum, ihre Inspiration, oder auch ihre Poetische Raserey nennen. Diese Worte bedeuten nichts anders, als die hefftige Pa.s.sion, mit welcher ein Poet fur die Materie seines Gedichtes eingenommen ist, oder die gute Imagination, durch welche er sich selbst ermuntern, und sich eine Sache wieder vorstellen, oder einen Affect annehmen kan, welchen er will. Wenn er also erhitzet ist, so wachsen ihm, so zusagen, die Worte auf der Zungen, er beschreibet nichts als was er siehet, er redet nichts als was er empfindet, er wird von der Pa.s.sion fortgetrieben, nicht anderst als ein Rasender, der ausser sich selbst ist, und folgen muss, wohin ihn seine Raserey fuhret.
[Notes: 1: _Menantes_, pseudonym of Christian Friedrich Hunold (1680-1721).]
+LXV. ALBRECHT HALLER+
A Swiss writer (1708-1777) who in his youth won fame as a poet, afterwards much greater fame as a man of science. In 1732, after he had taken his degree in medicine at Leyden, and had visited England and France, he published a small collection of poems ent.i.tled _Versuch Schweizerischer Gedichten_. They are characterized by moral fervor, trenchant thought, and sententious pregnancy of expression--a new combination up to that time. Haller is at his best in _The Alps_, which, notwithstanding its abundant description, is not so much a landscape poem as a philosophic eulogy of the simple life. The text below follows _Bibliothek alterer Schriftwerke der deutschen Schweiz_, III. 20.
_From 'The Alps': Stanzas 1-14._
Versuchts, ihr Sterbliche, macht euren Zustand besser, Braucht, was die Kunst erfand und die Natur euch gab; Belebt die Blumen-Flur mit steigendem Gewa.s.ser, Theilt nach Korinths Gesetz gehaune Felsen ab; Umhangt die Marmor-Wand mit persischen Tapeten, 5 Speist Tunkins Nest[1] aus Gold, trinkt Perlen aus Smaragd, Schlaft ein beim Saitenspiel, erwachet bei Trompeten, Raumt Klippen aus der Bahn, schliesst Lander ein zur Jagd; Wird schon, was ihr gewunscht, das Schicksal unterschreiben Ihr werdet arm im Gluck, im Reichthum elend bleiben! 10
Wann Gold und Ehre sich zu Clios Dienst verbinden, Keimt doch kein Funken Freud in dem verstorten Sinn.
Der Dinge Werth ist das, was wir davon empfinden; Vor seiner theuren Last flieht er zum Tode hin.
Was hat ein Furst bevor, das einem Schafer fehlet? 15 Der Zepter eckelt ihm, wie dem sein Hirten-Stab.
Weh ihm, wann ihn der Geiz, wann ihn die Ehrsucht qualet, Die Schaar, die um ihn wacht, halt den Verdruss nicht ab.
Wann aber seinen Sinn gesetzte Stille wieget, Entschlaft der minder sanft, der nicht auf Eidern lieget? 20
Begluckte guldne Zeit, Geschenk der ersten Gute, O, da.s.s der Himmel dich so zeitig weggeruckt!
Nicht, weil die junge Welt in statem Fruhling bluhte, Und nie ein scharfer Nord die Blumen abgepfluckt; Nicht, weil freiwillig Korn die falben Felder deckte 25 Und Honig mit der Milch in d.i.c.ken Stromen lief; Nicht, weil kein kuhner Low die schwachen Hurden schreckte, Und ein verirrtes Lamm bei Wolfen sicher schlief; Nein, weil der Mensch zum Gluck den uberfluss nicht zahlte, Ihm Nothdurft Reichtum war und Gold zum Sorgen fehlte! 30
Ihr Schuler der Natur, ihr kennt noch guldne Zeiten!
Nicht zwar ein Dichterreich voll fabelhafter Pracht; Wer misst den aussern Glanz scheinbarer[2] Eitelkeiten, Wann Tugend Muh zur l.u.s.t und Armuth glucklich macht?
Das Schicksal hat euch hier kein Tempe zugesprochen, 35 Die Wolken, die ihr trinkt, sind schwer von Reif und Strahl; Der lange Winter kurzt des Fruhlings spate Wochen, Und ein verewigt Eis umringt das kuhle Thal; Doch eurer Sitten Werth hat alles das verbessert, Der Elemente Neid hat euer Gluck vergrossert. 40
Wohl dir, vergnugtes Volk! o danke dem Geschicke, Das dir der Laster Quell, den uberfluss, versagt; Dem, den sein Stand vergnugt, dient Armuth selbst zum Glucke, Da Pracht und uppigkeit der Lander Stutze nagt.
Als Rom die Siege noch bei seinen Schlachten zahlte, 45 War Brei der Helden Speis und Holz der Gotter Haus; Als aber ihm das Maa.s.s von seinem Reichthum fehlte, Trat bald der schwachste Feind den feigen Stolz in Graus.
Du aber hute dich, was grossers zu begehren; So lang die Einfalt daurt, wird auch der Wohlstand wahren. 50
Zwar die Natur bedeckt dein hartes Land mit Steinen, Allein dein Pflug geht durch, und deine Saat errinnt[3]; Sie warf die Alpen auf, dich von der Welt zu zaunen, Weil sich die Menschen selbst die grossten Plagen sind.
Dein Trank ist reine Flut und Milch die reichsten Speisen, 55 Doch l.u.s.t und Hunger legt auch Eicheln Wurze zu; Der Berge tiefer Schacht giebt dir nur schwirrend[4] Eisen, Wie sehr wunscht Peru nicht, so arm zu sein als du.
Dann, wo die Freiheit herrscht, wird alle Muhe minder, Die Felsen selbst beblumt und Boreas gelinder. 60
Gluckseliger Verl.u.s.t von schadenvollen Gutern!
Der Reichthum hat kein Gut, das eurer Armuth gleicht; Die Eintracht wohnt bei euch in friedlichen Gem.u.t.h.e.rn, Weil kein beglanzter Wahn euch Zweitrachtsapfel reicht; Die Freude wird hier nicht mit banger Furcht begleitet, 65 Weil man das Leben liebt und doch den Tod nicht ha.s.st; Hier herrschet die Vernunft, von der Natur geleitet, Die, was ihr nothig, sucht und mehrers halt fur Last.
Was Epictet gethan und Seneca geschrieben, Sieht man hier ungelehrt und ungezwungen lieben. 70
Hier herrscht kein Unterschied, den schlauer Stolz erfunden, Der Tugend unterthan und Laster edel macht; Kein mussiger Verdruss verlangert hier die Stunden, Die Arbeit fullt den Tag und Ruh besetzt die Nacht; Hier la.s.st kein hoher Geist sich von der Ehrsucht blenden, 75 Des morgens Sonne frisst des heutes Freude nie.
Die Freiheit theilt dem Volk, aus milden Mutter-Handen, Mit immer gleichem Maa.s.s Vergnugen, Ruh und Muh; Kein unzufriedner Sinn zankt sich mit seinem Glucke, Man isst, man schlaft, man liebt und danket dem Geschicke 80
Zwar die Gelehrtheit feilscht hier nicht papierne Schatze, Man misst die Stra.s.sen nicht zu Rom und zu Athen, Man bindet die Vernunft an keine Schulgesetze, Und niemand lehrt die Sonn in ihren Kreisen gehn.
O Witz! des Weisen Tand, wann hast du ihn vergnuget? 85 Er kennt den Bau der Welt und stirbt sich unbekannt; Die Woll.u.s.t wird bei ihm vergallt und nicht besieget, Sein kunstlicher Geschmack beeckelt seinen Stand; Und hier hat die Natur die Lehre, recht zu leben, Dem Menschen in das Herz und nicht ins Hirn gegeben. 90
Hier macht kein wechselnd Gluck die Zeiten unterschieden, Die Thranen folgen nicht auf kurze Freudigkeit; Das Leben rinnt dahin, in ungestortem Frieden, Heut ist wie gestern war und morgen wird wie heut.
Kein ungewohnter Fall bezeichnet hier die Tage, 95 Kein Unstern malt sie schwarz, kein schwulstig Glucke roth.
Der Jahre l.u.s.t und Muh ruhn stets auf gleicher Waage, Des Lebens Staffeln sind nichts als Geburt und Tod.
Nur hat die Frohlichkeit bisweilen wenig Stunden Dem unverdrossnen Volk nicht ohne Muh entwunden. 100
Wann durch die schwule Luft gedampfte Winde streichen, Und ein begeistert Blut in jungen Adern gluht, So sammlet sich ein Dorf im Schatten breiter Eichen, Wo Kunst und Anmuth sich um Lieb und Lob bemuht.
Hier ringt ein kuhnes Paar, vermahlt den Ernst dem Spiele 105 Umwindet Leib um Leib und schlinget Huft um Huft.
Dort fliegt ein schwerer Stein nach dem gesteckten Ziele, Von starker Hand beseelt, durch die zertrennte Luft.
Den aber fuhrt die l.u.s.t, was edlers zu beginnen, Zu einer muntern Schaar von jungen Schaferinnen. 110
Dort eilt ein schnelles Blei in das entfernte Weisse, Das blitzt und Luft und Ziel im gleichen Jetzt durchbohrt; Hier rollt ein runder Ball in dem bestimmten Gleisse Nach dem erwahlten Zweck mit langen Satzen fort.
Dort tanzt ein bunter Ring mit umgeschlungnen Handen 115 In dem zertretnen Gras bei einer Dorf-Schallmei, Und lehrt sie nicht die Kunst, sich nach dem Tacte wenden, So legt die Frohlichkeit doch ihnen Flugel bei.
Das graue Alter dort sitzt hin in langen Reihen, Sich an der Kinder l.u.s.t noch einmal zu erfreuen. 120
Denn hier, wo die Natur allein Gesetze giebet, Umschliesst kein harter Zw.a.n.g der Liebe holdes Reich.
Was liebenswurdig ist, wird ohne Scheu geliebet, Verdienst macht alles werth und Liebe macht es gleich.
Die Anmuth wird hier auch in Armen schon gefunden, 125 Man wiegt die Gunst hier nicht fur schwere Kisten hin, Die Ehrsucht theilet nie, was Werth und Huld verbunden, Die Staatssucht macht sich nicht zur Unglucks-Kupplerin: Die Liebe brennt hier frei und scheut kein Donnerwetter, Man liebet fur sich selbst und nicht fur seine Vater. 130
So bald ein junger Hirt die sanfte Glut empfunden, Die leicht ein schmachtend Aug in muntern Geistern schurt, So wird des Schafers Mund von keiner Furcht gebunden, Ein ungeheuchelt Wort bekennet, was ihn ruhrt; Sie hort ihn und, verdient sein Brand ihr Herz zum Lohne, 135 So sagt sie, was sie fuhlt, und thut, wornach sie strebt; Dann zarte Regung dient den Schonen nicht zum Hohne, Die aus der Anmuth fliesst und durch die Tugend lebt.
Verzuge falscher Zucht, der wahren Keuschheit Affen, Der Hochmuth hat euch nur zu unsser Qual geschaffen! 140
[Notes: 1: _Tunkins Nest_, the edible birds'-nests of Tonkin, as a type of imported luxury.
2: _Scheinbarer_ = _glanzender_.
3: _Errinnt_ = _geht auf_.
4: _Schwirrend_ = _klirrend_, 'clanking,' or possibly with reference to the 'whizzing' of iron missiles.]
+LXVI. EWALD VON KLEIST+
A Prussian soldier-poet (1715-1759) who fell at the battle of Kunersdorf. His temperament and the circ.u.mstances of his early life disposed him to melancholy; so that he readily came under the spell of Haller, Thomson, and the other poets who extolled nature and the simple life as a refuge from the badness of civilization. His best known production is the fragment called _Spring_ (1749), in which fine pa.s.sages of personal feeling are interwoven with detailed descriptions that are sometimes a little tedious. The text follows Muncker's edition in Kurschner's _Nationalliteratur_, Vol. 45.
+1+
+Das Landleben.+
O Freund,[1] wie selig ist der Mann zu preisen, Dem kein Getummel, dem kein schwirrend Eisen, Kein Schiff, das Beute, Mast und Bahn verlieret, Den Schlaf entfuhret!
Der nicht die Ruhe darf in Berge senken, 5 Der fern von Purpur, fern von Wechselbanken, In eignen Schatten, durch den West gekuhlet, Sein Leben fuhlet.
Er lacht der Schlosser, von Geschutz bewachet, Verhohnt den k.u.mmer, der an Hofen lachet, 10 Verhohnt des Geizes in verschlossnen Mauren Torichtes Trauren.
Sobald Aurora, wenn der Himmel grauet, Dem Meer entsteigend, lieblich abwarts schauet, Flieht er sein Lager, ohn' verzartelt Schmucken, 15 Mit gleichen Blicken.
Er lobt den Schopfer, hort ihm Lerchen singen, Die durch die Lufte sich dem Aug entschwingen, Hort ihm vom Zephyr, lispelnd auf den Hohen, Ein Loblied wehen. 20
Er schaut auf Rosen Tau wie Demant blitzen; Schaut uber Wolken von der Berge Spitzen, Wie schon die Ebne, die sich blau verlieret, Flora gezieret.
Bald zeigt sich fliehend auf des Meeres Rucken 25 Ein Schiff von weitem den nachfliehnden Blicken, Das sie erst lange gleichsam an sich bindet Und dann verschwindet.
An anthology of German literature Part 67
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