An anthology of German literature Part 69

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Stumme Huter toter Schatze Sind nur reich.

Dem, der keinen Schatz bewachet, Sinnreich scherzt und singt und lachet, Ist kein karger Konig gleich. 15

Gieb den Kennern, die dich ehren, Neuen Mut, Neuen Scherz den regen Zungen, Neue Fertigkeit den Jungen, Und den Alten neues Blut. 20

Du erheiterst, holde Freude!

Die Vernunft.

Flieh auf ewig die Gesichter Aller finstern Splitterrichter Und die ganze Heuchlerzunft. 25

+4+

+Das Huhnchen und der Diamant.+

Ein verhungert Huhnchen fand Einen feinen Diamant Und verscharrt ihn in den Sand.

"Mochte doch, mich zu erfreun,"

Sprach es, "dieser schone Stein Nur ein Weizenkornchen sein!"

Ungluckselger uberfluss, Wo der notigste Genuss Unsern Schatzen fehlen muss!

+5+

+Johann, der Seifensieder.+

Johann, der muntre Seifensieder, Erlernte viele schone Lieder, Und sang, mit unbesorgtem Sinn, Vom Morgen bis zum Abend hin.

Sein Tagwerk konnt' ihm Nahrung bringen; 5 Und wann er a.s.s, so musst' er singen, Und wann er sang, so war's mit l.u.s.t; Aus vollem Hals und freier Brust.

Beim Morgenbrot, beim Abendessen, Blieb Ton und Triller unvergessen; 10 Der schallte recht, und seine Kraft Durchdrang die halbe Nachbarschaft.

Man horcht, man fragt: Wer singt schon wieder?

Wer ist's? Der muntre Seifensieder.

Im Lesen war er anfangs schwach; 15 Er las nichts als den Almanach, Doch lernt' er auch nach Jahren beten, Die Ordnung nicht zu ubertreten, Und schlief, dem Nachbar gleich zu sein, Oft singend, oftrer lesend, ein. 20 Er schien fast glucklicher zu preisen Als die berufnen sieben Weisen, Als manches Haupt gelehrter Welt, Das sich schon fur den achten halt.

Es wohnte diesem in der Nahe 25 Ein Sprossling eigennutz' ger Ehe, Der, stolz und steif und burgerlich, Im Schmausen keinem Fursten wich: Ein Garkoch richtender Verwandten, Der Schwager, Vettern, Nichten, Tanten, 30 Der stets zu halben Nachten fra.s.s, Und seiner Wechsel oft verga.s.s.

Kaum hatte mit den Morgenstunden Sein erster Schlaf sich eingefunden, So liess ihm den Genuss der Ruh 35 Der nahe Sanger nimmer zu.

"Zum Henker! larmst du dort schon wieder, Vermaledeiter Seifensieder?

Ach ware doch, zu meinem Heil, Der Schlaf hier, wie die Austern feil!" 40

Den Sanger, den er fruh vernommen, La.s.st er an einem Morgen kommen Und spricht: "Mein l.u.s.tiger Johann!

Wie geht es Euch? Wie fangt Ihrs an?

Es ruhmt ein jeder Eure Ware: 45 Sagt, wie viel bringt sie Euch im Jahre?"

"Im Jahre, Herr? Mir fallt nicht bei, Wie gross im Jahr mein Vorteil sei.

So rechn' ich nicht; ein Tag bescheret, Was der, so auf ihn kommt, verzehret, 50 Dies folgt im Jahr (ich weiss die Zahl) Dreihundertfunfundsechzigmal."

"Ganz recht; doch konnt Ihr mir's nicht sagen, Was pflegt ein Tag wohl einzutragen?"

"Mein Herr, Ihr forschet allzusehr: 55 Der eine wenig, mancher mehr, So wie's dann fallt! Mich zwingt zur Klage Nichts als die vielen Feiertage; Und wer sie alle rot gefarbt, Der hatte wohl, wie Ihr, geerbt, 60 Dem war die Arbeit sehr zuwider; Das war gewiss kein Seifensieder."

Dies schien den Reichen zu erfreun.

"Hans," spricht er, "du sollst glucklich sein.

Jetzt bist du nur ein schlechter Prahler. 65 Da hast du bare funfzig Thaler; Nur unterla.s.se den Gesang!

Das Geld hat einen bessern Klang."

Er dankt und schleicht mit scheuchem Blicke, Mit mehr als diebscher Furcht zurucke. 70 Er herzt den Beutel, den er halt, Und zahlt und wagt und schwenkt das Geld, Das Geld, den Ursprung seiner Freude, Und seiner Augen neue Weide.

Es wird mit stummer l.u.s.t beschaut 75 Und einem Kasten anvertraut, Den Band' und starke Schlosser huten, Beim Einbruch Dieben Trotz zu bieten, Den auch der karge Thor bei Nacht Aus banger Vorsicht selbst bewacht. 80 Sobald sich nur der Haushund reget, Sobald der Kater sich beweget, Durchsucht er alles, bis er glaubt, Da.s.s ihn kein frecher Dieb beraubt, Bis, oft gestossen, oft geschmissen, 85 Sich endlich beide packen mussen: Sein Mops, der keine Kunst verga.s.s Und wedelnd bei dem Kessel sa.s.s; Sein Hinz, der Liebling junger Katzen, So glatt von Fell, so weich von Tatzen, 90 Er lernt zuletzt, je mehr er spart, Wie oft sich Sorg' und Reichtum paart, Und manches Zartlings dunkle Freuden Ihn ewig von der Freiheit scheiden, Die nur in reine Seelen strahlt, 95 Und deren Gluck kein Gold bezahlt.

Dem Nachbar, den er stets gewecket, Bis der das Geld ihm zugestecket, Dem stellt er bald, aus l.u.s.t zur Ruh, Den vollen Beutel wieder zu 100 Und spricht: "Herr, lehrt mich bessre Sachen Als, statt des Singens, Geld bewachen.

Nehmt immer Euren Beutel hin.

Und la.s.st mir meinen frohen Sinn.

Fahrt fort, mich heimlich zu beneiden; 105 Ich tausche nicht mit Euren Freuden.

Der Himmel hat mich recht geliebt, Der mir die Stimme wiedergiebt.

Was ich gewesen, werd' ich wieder: Johann, der muntre Seifensieder." 110

+LXVIII. CHRISTIAN FuRCHTEGOTT GELLERT+

An eminent fabulist and moralist of Saxon stock (1715-1769). Like Gottsched, he spent the best years of his life in the service of the University of Leipzig. His _Fables and Tales_ (1746-1748) were reprinted in numberless editions, made their publisher rich, and remained for several decades the popular ideal of pleasant and edifying literature.

Gellert was also a pioneer (the _Swedisch Countess_, 1747) in the field of moral family fiction after the manner of Richardson. The Selections follow Kurschner's _Nationalliteratur_, Vol. 43.

+1+

+Die Nachtigall und die Lerche.+

Die Nachtigall sang einst mit vieler Kunst, Ihr Lied erwarb der ganzen Gegend Gunst; Die Blatter in den Gipfeln schwiegen Und fuhlten ein geheim Vergnugen.

Der Vogel Chor verga.s.s der Ruh 5 Und horte Philomelen zu.

Aurora selbst verzog am Horizonte, Weil sie die Sangerin nicht g'nug bewundern konnte; Denn auch die Gotter ruhrt der Schall Der angenehmen Nachtigall, 10 Und ihr, der Gottin, ihr zu Ehren, Liess Philomele sich noch zweimal schoner h.o.r.en.

Sie schweigt darauf. Die Lerche naht sich ihr Und spricht: "Du singst viel reizender als wir, Dir wird mit Recht der Vorzug zugesprochen; 15 Doch eins gefallt uns nicht an dir, Du singst das ganze Jahr nicht mehr als wenig Wochen."

Doch Philomele lacht und spricht: "Dein bittrer Vorwurf krankt mich nicht Und wird mir ewig Ehre bringen. 20 Ich singe kurze Zeit. Warum? Um schon zu singen.

Ich folg' im Singen der Natur; So lange sie gebeut, so lange sing' ich nur.

Sobald sie nicht gebeut, so hor' ich auf zu singen; Denn die Natur la.s.st sich nicht zwingen." 25

O Dichter, denkt an Philomelen, Singt nicht, so lang ihr singen wollt.

Natur und Geist, die euch beseelen, Sind euch nur wenig Jahre hold.

Soll euer Witz die Welt entzucken, 30 So singt, so lang ihr feurig seid, Und offnet euch mit Meisterstucken Den Eingang in die Ewigkeit.

Singt geistreich der Natur zu Ehren; Und scheint euch die nicht mehr geneigt, 35 So eilt, um ruhmlich aufzuh.o.r.en, Eh' ihr zu spat mit Schande schweigt.

Wer, sprecht ihr, will den Dichter zwingen?

Er bindet sich an keine Zeit.

So fahrt denn fort, noch alt zu singen, 40 Und singt euch um die Ewigkeit.

+2+

An anthology of German literature Part 69

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An anthology of German literature Part 69 summary

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